Die (fast) Legende

Kassettendeck Technics RS-B905
Kassettendeck Technics RS-B905

Kassettenrekorder muss man, mag man sie technisch erhalten, hegen und pflegen.

Es tut ihnen nicht gut wenn sie monatelang ungenutzt in Schränken, Kellern, Dachböden - und seien sie noch so gut verpackt - vor sich hinvegetieren.

Weggetan als technische Zeugnisse eines Jahrzehnts der Hifi-Blüte wo Material noch eine sekundäre  Rolle zu spielen schien, träumen sie dann von den Zeiten als sie stundenlang auf verrückten Parties ackern mussten. 

Spielen damit die Menschen sich amüsieren, bis sie heiß wurden und ins Schwitzen kamen was man nicht selten auch gut erschnuppern konnte.

Doch manche hatten auch ein eher beschauliches Dasein in einem Hifi-Rack wo der stolze Besitzer sie einerseits stundenlang quälte um ihre Grenzen auszuloten. sie aber anderseits pflegte und behütete.

Gelegentlich hörte man auch einfach schöne Musik damit oder präsentierte den Kumpels was sie so drauf hatten.

Bedauerlicherweise gings meinen Exemplar wohl eher recht dreckig, jedenfalls zum Ende seiner ersten Lebensspanne.

Schlussendlich landete es jener Bucht der zu veräußernden Sachen und ich widmete mich.

Dort wird es übrigens mit Vorliebe angepriesen das es eines der besten Tape-Decks von Technics sei, und daher besser als das RS-B965 weil es ein Alu-Druckguss Chassis habe. 

Wunderbar und super-toll - Wir glauben gern was leicht verdaulich und bequem zu fassen ist. 

Schaut man dann auf die aufgerufenen, oder erzielten Preise - welches Beweises bedarf es dann noch ?

Sollte der Hype des RS-B905 sich allein auf das Laufwerkschassis aus Alu-Druckguss beschränken, so ist das mit Sicherheit nur die halbe Wahrheit, denn den Begriff "aufwändig" verdient der Recorder nun wirklich nicht.

Das geht bereits bei der Kassettenklappe los - wie sie einfacher kaum sein kann.

Unter anderem gestaltet sich die Reinigung der Bandführung zum Geschicklichkeitstest. 

Das wird auch nicht viel besser wenn man die Klappe abzieht.

Das als Nachfolger des RS-B100 bezeichnete Gerät verdient eher kaum diese Bezeichnung, schaut man auf den Materialeinsatz, 

welcher seiner Herstellung zugrunde liegt.

Der Rotstift der Neunziger wirft wohl seine Schatten voraus. 

Dennoch weist der Technics Katalog 1988 es als Top-of-the-Line Tape-deck des Herstellers - und damit in der Tat als Nachfolger des exzellenten RS-B100 aus.

Man sollte meinen das schier unmögliche wurde real und das RS-B100 noch mal verbessert.

Was dann in Details erst einmal nicht ganz so gelungen scheint.

Weggefallen ist die schöne Kassettenfach-Beleuchtung des Vorgängers genauso wie der Testtongenerator zum Bandeinmessen, die Peak-Hold Funktion, die Zeitanzeige, die coole Record-Memory Funktion und weitere gar nicht so schlechte Gimmicks.

Erstere wäre gar nicht so schlecht gewesen, denn die Orientierung zum Stand des Bandes fällt bei schwachen Licht ohne Taschenlampe nicht leicht.

 

Larifari, Was jedoch schwer wiegt sind die Änderungen am Laufwerk. 

Dieses mit dem dem Alu-Druckguss Chassis ist augenscheinlich eine Neuentwicklung nach der M250 Serie.

Im Gegensatz zum Vorgänger ein "leichtes Ding" . 

Sehr positiv wirkt sich die bereits in der letzten Ausbaustufe begonnene Trennung von Reibrädchen und diversen "Riemchen" auf das Verhalten des Laufwerks aus. 

Jeglicher Antrieb der Wickelteller erfolgt zwar noch analog B100 über ein zentrales Idlerrad, aber das hat statt Gummireifen nun endlich Zähnchen 

und greift nun endlich schlüssig in die Teller. 

Zuständig dafür ist ein riemenloser Motor der bei Play, REW, FF für Bewegung der Wickelteller sorgt.

Sollte der Kunststoff langlebig genug sein, siehts hier gut aus.

Den Wegfall des unkaputtbaren Direktantriebes kann ich nur dem Rotstift zuschreiben. 

Wie anno RS-M273 muss ein einzelner Motor via Riemen den rechten Capstan drehen an dem der linke über eine zweite Pese via Transmission hängt.

Für den dennoch tadellosen Gleichlauf sorgen offenbar die extrem präzise ausgewuchteten Schwungmassen aus massiven Messing.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern dreht der Capstan nur Aufnahme/Wiedergabe, was zur Schonung des filigranen Antriebs beiträgt.

Erfreulicherweise hat sich der Delay der Bandendabschaltung auf eine sehr ordentliche Zeit verkürzt 

und die elektrische Bandspannvorrichtung sollte auch erst später wegfallen.

Hinsichtlich der Platinen und Bauteilebestückung geht das Sparen munter weiter. 

Die fetten Siebungen sind nicht mehr und die DBX/Dolby Platine für den Aufnahmezweig bekommt man ohne Lötkolben nicht von der Hauptplatine getrennt. 

Platinenreperaturen werden damit spannend, weil aufwändiger.

Sehr zum positiven entwickelt hat sich allerdings das Display. 

Nicht nur das die stark gestretchten 18 Segmente ein echter Hingucker sind.

Technics hat nun wesentlich mehr Funktionen in das optisch sehr schöne dreifarbige FL-Display hineingepackt. 

Angezeigt werden dort nun zusätzlich die Bandsorte und das aktivierte RMS, deren das RS-B905 wie gehabt über 3 verfügt.

Alle doppelt ausgelegt für Aufnahme und Wiedergabe um die Hinterbandkontrolle in Echtzeit zu realisieren.

Mit an Bord sind nun auch HX-Pro und die Verstärkerschaltungen sind in Class-AA ausgelegt.

Wie eingangs erwähnt, schwer verständlich warum unter Sammlern so gehyped.

Anlass für diesem Text ist einem mal wieder anstehende Wartung meines Sammlerstückes gewesen. 

Im Rahmen derer prüfe ich den Frequenzgang bei 35 HZ, 100 HZ, 400 HZ, 1 kHz, 3,125 kHz, 8 kHz und 12,5 kHz .

Dazu wird auch ein Original verschweißtes Frischband CrO2 geopfert und schweren Herzens aus der Folie gerissen.

Da ich leider keine TDK-SAX in diesem Zustand mehr besitze musste eine Sony CD-IT ran.

Schönes Resultat.

Alle Frequenzen werden perfekt aufgenommen und wiedergegeben. Jeweils mit und aktiven ohne RMS.

Vermutlich aufgrund des Bandes sind gewisse Amplitudeneinbußen feststellbar, jedoch allesamt unter den was man deutlich hören kann. 

Sichtbar ist es aber sehr gut auf dem Oszillografen.

Keine Phasenverschiebung messbar.

Exzellent so weit, das kann nicht jeder Recorder in dem Alter.

 

Last but not least wird die Kassette eingemssen und bespielt. 

Der Inhalt kommt aus FLAC-Dateien, als Zuspieler meine Squeeze-Box Classic maximaler Pegel. 

Durch die Dreikopfbestückung kann ich gleich bequem in Echtzeit abhören. 

Dazu kommt mein Fiio E12 versehen mit  OPPO PM3 an den Line-Out.

 

Testaufnahme ohne RMS - sehr sauber, klar keine Schwächen erkennbar.

Steuert man man die Sony CD-IT ein wenig zu höher aus (mehr als +4dB), leicht kratzig, rauh - die Verzerrungen werden hörbar.

 

Aber wozu hat Technics dbx eingebaut ??

Aktiviert man es wird die Frage beantwortet.

 

Denn jetzt greift das RS-B905 an und beginnt seinen Charme zu versprühen.

Der Sound ist in der Tat sehr schön anzuhören.

 

Zu verdanken ist das sehr wahrscheinlich dem perfekt abgestimmten Gespann TEA0665/AN6291.

Zwar wird der von Philips gemachte Chip auch in der nächsten Generation von Recorden (Pilot - RS-B755) eingetzt und klingt da auch wunderbar, aber es hat den Eindruck das er erst in Verbindung mit dem dbx-IC AN6291 sein volles Potential entfaltet und sehr schöne Soundsignatur ergibt wie ich persönlich empfinde,

Es ist also vielleicht doch was dran am Hype um dieses schöne Gerät. 

Auch wenn der Hifi-Purist nun lächeln mag... Ein Grund warum ich gerade Recorder von Technics so liebe ist, die Liebe zum optischen Erscheinungsbild.

Rein technisch gesehen ist ein RS-B905 mit einem Dragon, oder Revox (Studer) B215 kaum vergleichbar. Das ist so.

Die sind wohl präziser, weniger "gesoundet" .

Denn sind die bei Licht, ach so so gewöhnungsbedürftigen braunen Teile das was ich als elegant und augenschmeichelnd bezeichne.

Oft schön flach designet, die Bedienung klar strukturiert und angenehm verständlich und logisch. 

Die Technik nicht selten einfach, aber dabei genial vertieft mit viel Liebe zu Details.

Wer mal die Tasten eines B905 drücken konnte versteht. Die Haptik macht einfach Spaß.

Keines außer den B100 hat so schöne Tasten aus gebürsteten Aluminium wie das B905 (eventuell noch das RS-B705) .

Sein Alter sieht man ihm nicht an, die Technik ist präzise und funktioniert zuverlässig wie am ersten Tag.

 

Bis zur nächsten Revision kommt es nun wieder in Folie und darf bisschen schlummern bis ich es in paar Wochen wieder wecke, damit es wohlverdiente Hege erhält.

16.Mai 2018

es war abzusehen, das es durchaus noch Wartungs-, bzw. Reparaturbedarf aufkommen würde und so landete das B905 an diesem Tag auf dem Tisch.

Der rechte Kanal hatte ein Problem.

Macht man eine Aufnahme, so brechen die Pegel bei der Widergabe auf diesem Kanal nahezu komplett ein.

Auch das Laufwerk gefiel mir nach der Schnellrevision nicht besonders. Sicher - alle Funktionen waren gegeben, aber es könnte durchaus auch ein wenig leiser laufen.

Gelegentlich kamen auch Geräusche vom laufenden Capstan, bzw. dessen Sinterlager.

Ich hatte etwas Zeit, und will das Gerät auch wegen seiner audiophilen Fähigkeiten weiternutzen.

Außerdem passt es by Design perfekt in das Setup aus SE-A100/SU-A200/SL-P1000.

Und so begann es.

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Gleich nach dem Ausbau bemerkte ich etwas sehr unangenehmes und eigentlich auch für Technics untypisches.

Die Gummibelege an den Wickelbremsen hatten sich in Teer verwandelt.

Sehr gefährlich, denn dieses Zeug verpestet alles und es auch runterzukommen wo es draufkommt.

Das gesamte Plastikteil war zu ersetzen, was schwierig war, denn es scheint kaum in einem anderen Recorder verbaut.

Am Ende habe ich eins von einem B605 eingebaut, was zwar nicht perfekt, aber leidlich tat.

Die Hauptaufgabe dieses teils besteht darin, den fliegenden Idler zu führen und klappte sehr gut.

Bei der Gelegenheit machte ich mal ein paar Fotos vom wertigen Herzstück des Laufwerks.

Fette Massen. Sicher ein entscheidender Beitrag zum exzellenten Gleichlauf des B905.

Bilder von Reinigung und Wiedermontage.

Dieses RS-B905 war das erste Gerät, das ich einem komplette Elko Tausch unterwarf.

Es kommt begünstigend hinzu, das ich ein zweites Main PCB besitze.

Und so beginnt es.

Die Tochterplatine für Dolby B,C und dbx muss abgelötet werden.

Das Main PCB nach erfolgtem Elko Tausch.

Vorbereitung für den Schutzlack. Die Steckkontakte sollten abgeklebt werden um später Kontaktprobleme zu vermeiden.

Ende. Prüfung und Zusammenbau.